Stellungnahme des Familienbundes der Katholiken zur Betreuerregistrierungsverordnung - BtRegV

Stellungnahme des Familienbundes der Katholiken zum Verordnungsentwurf des Bundesministeriums der Justiz

 

Verordnung über die Registrierung von beruflichen Betreuern (Betreuerregistrierungsverordnung – BtRegV)

 

1. Einleitung

Am 1. Januar 2023 tritt das Betreuungsorganisationsgesetz (BtOG) in Kraft. Dieses verlangt zur Sicherung einer einheitlichen Mindestqualität der beruflichen Betreuung von den angehenden Betreuern neben dem Abschluss einer Berufshaftpflichtversicherung deren persönliche Eignung und Zuverlässigkeit sowie eine ausreichende Sachkunde für die Tätigkeit als beruflicher Betreuer. Der vom Bundesministerium der Justiz (BMJ) vorgelegte Entwurf einer Verordnung über die Registrierung von beruflichen Betreuern regelt die im Gesetz nur abstrakt umschriebenen Voraussetzungen für die Tätigkeit als beruflicher Betreuer im Detail. Sehr genau wird insbesondere der Nachweis der ausreichenden Sachkunde geregelt. Die in der Verordnung geregelten Voraussetzungen für eine ausreichende Sachkunde sollen in dieser Stellungnahme kritisch untersucht werden.

Die Betreuung von erwachsenen Personen, die wegen einer Krankheit oder Behinderung ihre Angelegenheiten ganz oder teilweise rechtlich nicht mehr selbst besorgen können (§ 1814 BGB n.F.), ist eine sehr verantwortungsvolle Aufgabe. Der Familienbund begrüßt daher, dass es zum Schutz der Betreuten Mindestanforderungen für berufliche Betreuer gibt. Bei der Abwägung, welche Anforderungen bei der Zulassung beruflicher Betreuer zu stellen sind, ist aber zu berücksichtigen, dass die Zugangshürden nicht zu hoch sein dürfen, damit auch weiterhin ausreichend Betreuer zur Verfügung stehen. Denn der Bedarf ist groß. Die Anzahl der rechtlichen Betreuungen hat sich seit den 90er-Jahren auf rund 1,3 Millionen betreute Personen verdoppelt.[1] Auch wenn in den Jahren ab 2012 bei den Fallzahlen ein leicht sinkender Trend festzustellen war, ist für die Zukunft aufgrund des demografischen Wandels und der sich im Prozess der Individualisierung verändernden Familienstrukturen mit weiterhin hohen und steigenden Fallzahlen zu rechnen. Die Erwartung hoher Fallzahlen gilt auch für die Anzahl der beruflichen Betreuungen, deren Anteil nach Angabe von Berufsverbänden heute bei ca. 47 Prozent der Betreuungen liegt[2], während etwas mehr als 50 Prozent der Betreuungen ehrenamtlich überwiegend durch Familienangehörige übernommen werden.

Nach Auffassung des Familienbundes der Katholiken überspannt der Verordnungsentwurf des BMJ die Anforderungen an den Nachweis der ausreichenden Sachkunde der beruflichen Betreuer deutlich und in einer Weise, die möglicherweise dazu führt, dass die Anzahl der Betreuer:innen sinkt und diese in der Zukunft nicht mehr ausreichend zur Verfügung stehen. Zur Sicherung eines Mindestqualitätsniveaus der Betreuung ist nicht erforderlich, für die Übernahme einer beruflichen Betreuung eine Qualifikation zu verlangen, die bereits an die in manchen Fachhochschulstudiengängen vermittelten Kenntnisse heranreicht. Der Familienbund teilt die im Gesetzgebungsverfahren von vielen Expert:innen zum Ausdruck gebrachte Meinung, dass von den angehenden beruflichen Betreuern keine vertieften Kenntnisse, sondern hinreichende Grundkenntnisse verlangt werden sollten, die eine weitere Vertiefung der Kenntnisse am konkreten Betreuungsfall ermöglichen.

Konkret weist der Familienbund der Katholiken zur vorgelegten BtRegV auf folgende Bedenken hin: Der Umfang des Sachkundelehrgangs ist viel zu hoch angesetzt (siehe 2.1) und die Kosten für Interessenten fallen viel zu hoch aus (siehe 2.2).

2. Im Einzelnen

2.1 Umfang des Sachkundelehrgangs viel zu hoch angesetzt

Maßgeblich für den Nachweis der erforderlichen, gemäß § 23 Abs. 1 Nr. 2 BtOG ausreichenden Sachkunde für die Tätigkeit als beruflicher Betreuer sind gemäß § 23 Abs. 3 Satz 2 BtOG die dort genannten Kenntnisse (u.a. des Betreuungs- und Unterbringungsrechts, des sozialrechtlichen Unterstützungssystems und der Kenntnisse der Kommunikation mit Personen mit Erkrankungen und Behinderungen). Klar im Gesetzgebungsverfahren war, dass nicht vertiefte, sondern (Grund-)Kenntnisse verlangt werden sollen. Auf dieser Basis entsprechen zunächst die in § 3 Abs. 1, 2 und 3 BtRegVO genannten Inhalte den in § 23 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 bis 3 BtOG genannten Inhalten.

Die vorgelegte Anlage zu § 3 Abs. 4 BtRegVO hingegen enthält zu den einzelnen 11 Modulen Stundenzahlen, die weit über das hinausgehen, was zur Vermittlung (und Einübung) der Inhalte als angemessen anzusehen ist. So ist nicht klar, was konkret in 40 UE à 45 Minuten, also 30 (!) Stunden im Modul 2 veranstaltet werden soll, um die Inhalte der UN-BRK, die Ermittlung der Wohn- und Lebenslagen der Betreuten, die Erarbeitung der Betreuungsziele usw. zu vermitteln und in praktischen Übungen einzuüben. Nicht verkannt wird, dass Prüfungszeiten in den Unterrichtseinheiten enthalten sind; jedoch vermag der Ansatz von ca. 1 Stunde Prüfungszeit nicht darüber hinwegzuhelfen, dass in 29 Stunden wohl nicht nur (Grund-)Kenntnisse vermittelt werden: dafür sind allenfalls die Hälfte der Stunden als angemessen anzusetzen.

Betrachtet man die inhaltlichen Bereiche der Module 1 bis 7 (mit Ausnahme von Modul 2) so sind für diese Inhalte (u.a. Betreuerbestellung, Unterbringungsrecht, typische Erkrankungen, Aufgabe von Wohnraum u.v.m.) jeweils 20 UE à 45 Minuten, d. h. 15 (!) Stunden angesetzt. Auch hier ist nicht klar, wieso z. B. für die Vermittlung von (Grund-)Kenntnissen der Geschäftsfähigkeit, der Stellvertretung, des allgemeinen Schuldrechts einschließlich Haftungsfragen, des Kaufvertragsrechts sowie der Schuldenregulierung u. a. mehr als 10 UE à 45 Minuten (= 7,5 Stunden) angesetzt sind.

Für die (Grund-)Kenntnisse im Sozialrecht (Module 8 und 9) sind insgesamt 100 (!) UE x 45 Minuten angesetzt (= 75 Stunden). Obgleich nicht verkannt wird, dass das Sozialrecht sehr differenziert und komplex ist, erscheint schwer vorstellbar, dass mit (Grund-)Kenntnissen diese Stunden gefüllt werden können. Vergleicht man den vorgeschlagenen Umfang mit den Inhalten, die Studierende z. B. in einem Sozialarbeitsstudium im Sozialrecht absolvieren müssen, wird die Diskrepanz sehr deutlich: 100 UE à 45 Minuten entsprechen etwa 6 Semesterwochenstunden Lehre. In nicht allen Studiengängen der Sozialen Arbeit werden sozialrechtliche Grundlagen in diesem Umfang vermittelt, d. h. der vorgeschlagene Umfang geht sogar über den durchschnittlichen Umfang von Lehre in Studiengängen der Sozialen Arbeit hinaus, was der Vermittlung von (Grund-)Kenntnissen nicht entspricht.

Auch der geplante Stundenumfang in den Modulen 10 (Grundlagen der Kommunikation und Praxistransfer) und 11 (Betreuungsspezifische Kommunikation/Methoden der unterstützten Entscheidungsfindung) ist viel zu hoch angesetzt. Obgleich es sich um für die Betreuertätigkeit wichtige Inhalte handelt, ist nicht nachvollziehbar, was hier in 100 UE à 45 Minuten gelehrt und geübt werden soll.

2.2. Viel zu hoher Kostenaufwand

Der Umfang des Sachkundelehrgangs führt ferner zu einem nicht vertretbaren Kostenaufwand für Interessenten. Das BMJ schätzt den Kostenaufwand pro Teilnehmer auf 4.860 EUR (Vgl. Seite 19 des Entwurfs). Dieser Betrag erscheint als realistisch: Bei 360 UE ergibt sich vor allem für die Honorare der Lehrenden ein Betrag von 360 x 60 EUR, d. h. 21.600 EUR. Rechnet man die Verwaltungskosten, Kosten für Prüfungen, das Anmieten von Räumen u. a. hinzu, können pro Kurs ohne weiteres 50.000 EUR, angesetzt werden. Das bedeutet, dass jeder Kurs lediglich 10 Teilnehmer umfassen darf, denn die vorgestellten praktischen Übungen können sinnvollerweise n u r mit einer solchen Zahl durchgeführt werden. Insofern kommt eine Kostensenkung durch Planung größerer Gruppen nicht in Betracht.

Der Kostenbeitrag von 4.860 EUR pro Teilnehmer erscheint aber bei weitem zu hoch und unzumutbar. Interessenten müssten diese Teilnahmegebühr vorstrecken und erst einmal eine lange Zeit tätig sein, um diesen Betrag wieder einzubringen. Durch eine Reduzierung des Umfangs um die Hälfte ließen sich die Kosten entsprechend reduzieren.

3. Fazit

Aufgrund des zuvor Dargelegten befürchtet der Familienbund der Katholiken, dass es nach dem 1. Januar 2023 zu einer massiven Verringerung der Zahl der beruflichen Betreuer kommen wird, weil – abgesehen von den weiteren Möglichkeiten des Sachkundenachweises gemäß §§ 5, 7 BtRegV – gemäß § 6 Abs. 1, 2 BtRegV zum Nachweis der erforderlichen Sachkunde ein Sachkundelehrgang im Umfang von mindestens 360 Unterrichtseinheiten zu je 45 Minuten absolviert werden muss: Dieser Stundenumfang erweist sich als viel zu hoch angesetzt und führt für Interessenten zu einem nicht vertretbaren Kostenaufwand.

Der Familienbund der Katholiken bittet daher mit Nachdruck darum, den Entwurf entsprechend zu überarbeiten und den Umfang um mindestens die Hälfte zu reduzieren.

 

Berlin, 14. April 2022

Familienbund der Katholiken

 

Ansprechpartner:

Prof. Dr. jur. Rolf L. Jox (KatHO NRW), Matthias Dantlgraber (Bundesgeschäftsführer des Familienbundes der Katholiken)

 
[1] Vgl. die Schätzungen des Bundesverbandes der Berufsbetreuer/innen e.V. (BdB) mit Bezug auf Ende 2016, https://www.berufsbetreuung.de/berufsbetreuung/was-ist-rechtliche-betreuung/daten-und-fakten/.
[2] Vgl. die Schätzungen des Bundesverbandes der Berufsbetreuer/innen e.V. (BdB), a.a.O.