Familienbund fordert Betreuungsqualität für Grundschulkinder / Ruf nach familiengerechter Zeitpolitik als Rahmen

Berlin, 23. November 2020 – Der Familienbund der Katholiken begrüßt die in der vergangenen Woche (19.11.2020) vom Deutschen Bundestag beschlossenen zusätzlichen Milliarden-Investitionen für die Betreuung von Grundschulkindern. Der Verband fordert, die Finanzmittel an verbindlichen Qualitätskriterien orientiert einzusetzen. „Qualifiziertes Personal ist hierbei ebenso wichtig wie ein altersgerechter Betreuungsschlüssel, wenn die Investitionen einen spürbaren bildungspolitischen und pädagogischen Mehrwert haben sollen“, sagte Familienbund-Präsident Ulrich Hoffmann heute in Berlin und warnte: „Eine mit politischer Anspruchslosigkeit ins Werk gesetzte Betreuung hilft weder den Grundschulkindern noch deren Eltern. Und der Gesellschaft ebenso wenig.“ Angesichts des eklatanten Mangels an Erziehern hält Hoffmann den von der Bundesregierung ab 2025 geplanten Rechtsanspruch für Grundschulkinder für kaum realisierbar.     

Hoffmann hält auch unabhängig vom Ziel eines Rechtsanspruchs die Betreuungssituation an Grundschulen für dringend ausbaubedürftig. „Zahlreiche unbesetzte Stellen, berufliche Überlastungen von Erziehern und hohe Krankenstände des Betreuungspersonals machen Betreuung außerhalb des Unterrichts für Kinder heute vielerorts zum traurigen Glücksspiel. Nötig ist aber überall eine verlässliche Qualitätsbetreuung. Eltern, die ihre Kinder nach Unterrichtsschluss im Hort betreuen lassen wollen, müssen diese Option auch haben. Gebrauch werden Eltern aber nur dann davon machen, wenn sie ihre Kinder in guten Händen wissen“, sagte Hoffmann.

„Statt die Lebensform Familie nach den ökonomischen Verwertungsinteressen der Wirtschaft weiter zuzuschneiden, müssen es die Familien sein, die souverän über ihr Leben und ihre Zeit entscheiden.“

„Das politisch ausgelobte Ziel eines Rechtsanspruchs auf Betreuung für Grundschulkinder darf aber nicht die einzige politische Antwort auf die drängende Frage nach der Vereinbarkeit von Familie und Beruf sein“, stellte Hoffmann klar. „Der Ausbau staatlicher Betreuungs-institutionen als Lösungslieferant ist eindimensional und unterkomplex, weil es den Bedürfnissen von Familien nach mehr Zeit für- und miteinander keinerlei Rechnung trägt. Nötig sind flexible und lebensphasenbezogene Arbeitszeitreduzierungen für erwerbstätige Eltern. Statt die Lebensform Familie nach den ökonomischen Verwertungsinteressen der Wirtschaft weiter zuzuschneiden, müssen es die Familien sein, die souverän über ihr Leben und ihre Zeit entscheiden. Dafür muss die Politik endlich zukunftsweisende Konzepte für eine familien- und lebensgerechte Zeitpolitik aufgreifen, die wissenschaftlich seit langem entwickelt und diskutiert werden, zum Beispiel ‚Atmende Lebensläufe‘, die Optionszeiten über die gesamte Erwerbsbiografie von Menschen für Erziehungs- und Pflegeaufgaben vorsehen. Die Wirtschaft ist nachdrücklich aufgerufen, einen nennenswerten Beitrag zu einer familiengerechten Zeitpolitik zu leisten. Unternehmen sitzen schließlich mit im Boot. Es sind aber heute die Eltern, die rudern!“ 

„Ein Rechtsanspruch auf Betreuung von Grundschulkindern, der nicht in einen zeitpolitischen Rahmen eingebettet ist, unterläuft die Autonomie von Familie, indem er deren Wahlfreiheit durch die politische Schaffung gesellschaftlicher Konventionen einschränkt.“

Hoffmann wandte sich dagegen, die Betreuung in Grundschulen zu einer gesellschaftlichen Norm werden zu lassen, die für Eltern wie Kinder alternativlos sei. „Der Freiheitsgedanke von Familie zeigt sich in der elterlichen Souveränität, die eigene Lebensform von Familie selbst wählen und leben zu können. Ein Rechtsanspruch auf Betreuung von Grundschulkindern, der nicht in einen zeitpolitischen Rahmen eingebettet ist, unterläuft die Autonomie von Familie, indem er deren Wahlfreiheit durch die politische Schaffung gesellschaftlicher Konventionen einschränkt. Das kann nicht im Sinne von Familien sein.“