Anregungen für Eltern und Dienstvorgesetze (insbesondere bei kirchlichen Rechtsträgern)

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die unter den erschwerten Arbeitsbedingungen während der Corona-Krise nach guten Lösungen für die Vereinbarkeit von Familie und Beruf suchen

Seit Beginn der Corona-bedingten Ausnahmesituation Mitte März 2020 hat sich der Arbeitsalltag insbesondere für Eltern mit minderjährigen Kindern erheblich erschwert. Die Corona-Krise verlangt von Eltern einen schier unmöglichen Balanceakt: Sie sollen die Kita- und Schulschließungen alleine kompensieren, die Beschulung der Kinder fortführen, Kleinkinder beschäftigen, den Haushalt stemmen, die eigenen Eltern und Großeltern unterstützen, für die alten Nachbarn einkaufen und neben all dem auch noch ihrer Erwerbsarbeit nachgehen – vielfach unter den erschwerten Bedingungen des Homeoffice. Die genannten Schwierigkeiten vervielfachen sich noch für alleinerziehende Eltern.

In solch einer Situation ist es besonders wichtig, dass Eltern und Dienstvorgesetzte miteinander gute, partnerschaftliche Lösungen ausprobieren und vereinbaren. Dies hat für beide Seiten Vorteile: Es trägt zur langfristigen Aufrechterhaltung des Betriebs wie auch zur Arbeitsfähigkeit der Beschäftigten und zur Einkommenssicherheit für Familien bei.

Mit dieser Handreichung gibt der Familienbund der Katholiken in der Erzdiözese Freiburg Eltern und Dienstvorgesetzten Anregungen, Infos und Ideen an die Hand, wie diese schwierige berufliche und familiäre Situation gemeinsam gut gemeistert werden kann.

1. Das gemeinsame Gespräch suchen

Gehen Sie aktiv aufeinander zu und fragen Sie nach der jeweiligen Situation und den jeweiligen Bedürfnissen. Ein gegenseitiges Verständnis füreinander zu schaffen, ist die Grundlage für eine gute gemeinsame Lösung.

Beispiele für ein wertschätzendes Miteinander: Mitarbeitenden im Homeoffice nicht nur per Mail und Telefon Arbeitsaufträge erteilen, sondern auch nach der konkreten Belastung fragen. Unterstützung anbieten, wenn der Weg zur Arbeit wegen Einschränkungen im ÖPNV schwierig(er) ist. Mitarbeitenden, die an den regulären Arbeitsplatz kommen, flexiblere Arbeitszeiten ermöglichen (mehr dazu im Folgenden).

2. Arbeitsrechtliche Instrumente anwenden

Hier geht es im Wesentlichen um die flexible Handhabung der Arbeitszeit. Nachfolgend sind verschiedene Möglichkeiten aufgelistet. Weiterführende, kreative Ideen zur Umsetzung dieser Möglichkeiten unter Punkt 3.

Abbau von Mehrarbeit und Überstunden

Für Bereiche, in denen flexible Arbeitszeitmodelle bestehen: Überstunden im „roten/gelben Bereich“ abzubauen ist absolut vertretbar, liegt vielfach sogar im Direktionsrecht des Dienstgebers. Wieviel vom „grünen Bereich“ zum Abbau angeordnet oder vereinbart wird, muss individuell betrachtet werden. Für viele Familien ist es essentiell, ein paar Mehrarbeits- oder Überstunden „auf der hohen Kante“ zu haben, da der Familienalltag oft unvorhergesehene Situationen mit sich bringt, die damit abgefedert werden können.

In Bereichen ohne solche Regelungen sollte zumindest individuell geprüft werden, wie die Mehrarbeitsstunden entstanden sind und wofür sie möglicherweise ursprünglich verwendet werden sollten.

Aufbau von Minusstunden

Auch hier ist zu unterscheiden, ob Vereinbarungen zu flexiblen Arbeitszeitmodellen bestehen. In diesen können Regelungen zur Ermöglichung sogenannter „Minusstunden“ getroffen sein. Diese fallen aber in die souveräne Entscheidungsmöglichkeit der Beschäftigten und können nicht angeordnet werden. Grundsätzlich ist auch bei flexiblen Arbeitszeitregelungen von Minusstunden abzusehen, da diese den familiären Zeitdruck in den Folgewochen stark erhöhen können.

Für Bereiche ohne Arbeitszeitregelungen gibt es „Minusstunden“ nicht. Dienstgeber müssen die Arbeit so organisieren, dass Beschäftigte im Rahmen ihres Umfangs auch arbeiten können. Dieses „Betriebsrisiko“ darf nicht auf die Beschäftigten abgewälzt werden.

Freistellung mit Lohnfortzahlung

Eltern können für die Betreuung ihrer Kinder bis zu 5 Tage ihrem Arbeitsplatz fernbleiben, ohne dass sie weniger Lohn bekommen. Im kirchlichen Bereich regelt das die „Arbeitsvertragsordnung“. Voraussetzung hierfür ist, dass es keine andere Möglichkeit der Kinderbetreuung gibt (z.B. durch den anderen Elternteil). 5 Tage sind nicht viel, in der jetzigen Situation reichen sie auch für ein betreuendes Elternpaar nicht aus, wenn beide Elternteile diesen Anspruch haben. Noch viel weniger für Alleinerziehende. Mit den Worten von Bundesarbeitsminister Hubertus Heil richtet der Familienbund daher den dringenden Appell an die Arbeitgebenden, „die Möglichkeiten der Lohnfortzahlung im Betreuungsfall großzügig auszugestalten“.

Urlaub einreichen

Zur Abfederung des Betreuungsengpasses kann auch Urlaub genommen werden. Vor allem das Aufbrauchen von „Resturlaub aus dem Vorjahr“ bietet sich an. Auch in diesem Fall wird der Lohn weiterbezahlt. Bei der Verwendung von aktuellem Urlaub aus dem laufenden Kalenderjahr ist jedoch große Vorsicht geboten: Bereits eingereichter, genehmigter oder durch Betriebsferien festgelegter Urlaub für das laufende Jahr kann nicht einseitig verändert werden. Auch eine einseitige Anordnung von Urlaub durch den Dienstgebenden ist nicht zulässig. Es braucht immer das gegenseitige Einverständnis bzw. die Mitbestimmung der Mitarbeitervertretung. Und bedenken Sie auch: Das Jahr 2020 steht erst an seinem Anfang. Es kommen auf die Familien auch nach der Corona-Krise noch lange Ferienzeiten zu, die ebenfalls überbrückt werden müssen. Dieses Instrument ist also nur bis zu einer gewissen Grenze familientauglich.

Unbezahlte Freistellung

Wenn es das Familieneinkommen erlaubt, kann auch eine unbezahlte Freistellung (Sonderurlaub) hilfreich sein. Dies darf allerdings nur als letzte Möglichkeit in Betracht gezogen werden. Welche Entschädigungsmöglichkeiten es hierfür gibt, siehe unter 4.

3. Kreative Anwendung der arbeitsrechtlichen Instrumente

Die existierenden arbeitsrechtlichen Möglichkeiten erscheinen oft starr und unflexibel. In Sondersituationen wie dieser ist es ganz entscheidend, dass die bestehenden Möglichkeiten kreativ angewendet und individuell auf die jeweilige Familien- und Beschäftigungssituation zugeschnitten werden. So lassen sich Lösungen finden, die für beide Seiten von Vorteil sind. Beispiele:

Verteilung der 5-Tages-Freistellung auf 2-3 Wochen

Oft ist es so, dass Eltern für die Betreuung ihrer Kinder nicht unbedingt eine vollständige Freistellung für den ganzen Tag benötigen. 2-4 Stunden Arbeitszeit pro Tag lassen sich meistens in den Tagesablauf integrieren, besonders im Homeoffice. Es bietet sich daher an, die 5-Tages-Freistellung auf 2 oder gar 3 Wochen zu strecken. Dadurch können Eltern vorübergehend quasi reduziert arbeiten und erhalten dennoch ihren vollen Lohn. Eine Dokumentation der Zeiten ist selbstverständlich erforderlich.

Teilzeit: flexible Reduzierung der Wochenarbeitsstunden

Eine weitere Möglichkeit, die extreme zeitliche Belastung von Familien zu verringern, bieten kurzzeitige Teilzeitarbeitsverträge. Jedenfalls dann, wenn die Situation absehbar mehrere Wochen andauert. Für eine bestimmte Übergangszeit kann das Stundenvolumen vertraglich reduziert und später wieder auf die ursprüngliche Wochenarbeitszeit angehoben werden. Die kurzfristige, zeitlich begrenzte Vereinbarung von Teilzeit oder eine bezahlte teilweise Freistellung hilft allen Familien mehr als eine unentgeltliche volle Freistellung. In der Arbeitsvertragsordnung ist das in §14 geregelt. In diesen Fällen kann auch die Lage der täglichen Arbeitszeit gemeinsam ausgehandelt und vereinbart werden.

Homeoffice und Arbeitszeitflexibilität

Zuhause zu flexiblen Zeiten arbeiten zu dürfen, wenn dies möglich ist, kann für manche Eltern eine Entlastung bedeuten. So sind die Kinder zumindest nicht alleine und durch den Wegfall der Wegezeiten zur Arbeitsstätte lässt sich auch Zeit gewinnen. Zu beachten ist, dass dabei die zeitlichen Kapazitäten pro Tag nicht überschätzt werden. Arbeiten und gleichzeitig Kinder betreuen sind zwei parallele „Vollbeschäftigungen“.

4. Wichtige Hilfen für Familien

Bundesregierung, Bundestag und Bundesrat haben verschiedene gesetzliche Regelungen erlassen, die die Bevölkerung während der Corona-Krise entlasten sollen. Darunter finden sich auch wichtige Hilfen für Familien:

Notfall-Kinderzuschlag

Familien mit kleinen Einkommen (z.B. Paarfamilie mit 2 Kindern mit einem Bruttoeinkommen von ca. 1.600 bis ca. 3.300 Euro) können den Notfall-Kinderzuschlag beantragen. Das sind bis zu 185 Euro pro Kind zusätzlich zum Kindergeld. Mit dem so genannten KiZ-Lotsen lässt sich online unter https://con.arbeitsagentur.de/prod/kiz/ui/start einfach herausfinden, ob sich ein Antrag lohnt und wie er zu stellen ist.

Entschädigung für Verdienstausfall

Wenn Eltern aufgrund der Schul- und Kitaschließungen Kinder unter 12 Jahren selbst betreuen müssen, deshalb vorübergehend nicht arbeiten können und keinen Lohn bekommen, haben sie Anspruch auf eine Entschädigung. Diese beläuft sich auf rund zwei Drittel des Nettoeinkommens und kann für bis zu 6 Wochen gezahlt werden (max. 2.016 Euro/Monat und nicht während der Schulferien). Der Arbeitgeber zahlt den Betrag aus und kann ihn sich von der zuständigen Landesbehörde wieder rückerstatten lassen.

Der Familienbund ermutigt Eltern und Dienstvorgesetzte, auf dieser Basis zu guten und partnerschaftlichen Lösungen für die Vereinbarkeit von Familie und Beruf zu finden. Vielleicht ergeben sich daraus sogar wegweisende Arbeitszeitmodelle, die auch in Zukunft Vorbild sein können.

Freiburg, 06.04.2020

Der Familienbund der Katholiken in der Erzdiözese Freiburg steht gerne als Ansprechpartner bei Fragen oder für innovative familienpolitische Ideen zur Verfügung.

Kontakt:
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Dr. Lucia Gaschick, Geschäftsführerin
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