Die Verfassungsbeschwerden für eine finanzielle Entlastung von Familien mit Kindern bei den Beiträgen für Kranken- und Rentenversicherung sind gescheitert. Das Bundesverfassungsgericht lehnte in seiner am Mittwoch veröffentlichten Entscheidung die von drei Familien aus Baden-Württemberg vorgebrachten Beschwerden weitgehend ab. Es liege keine verfassungswidrige Benachteiligung von Familien mit Kindern im Vergleich zu Kinderlosen vor. Die Karlsruher Richter verwiesen darauf, dass Eltern für die Erziehungszeiten und daraus entstehende finanzielle Nachteile bereits substanziell entlastet würden: durch die beitragsfreie Mitversicherung von minderjährigen Kindern in der gesetzlichen Krankenversicherung und durch die Anrechnung von Erziehungszeiten im System der Rentenversicherung. "Damit hat der Gesetzgeber einen hinreichenden Ausgleich für den wirtschaftlichen Kindererziehungsaufwand geschaffen", so der Erste Senat des Verfassungsgerichts mit Gerichtspräsident Stephan Harbarth. Die finanziellen Belastungen von Familien mit Kindern seien im bestehenden System "hinreichend kompensiert". Das Gericht gab den Verfassungsbeschwerden aber in einem Punkt statt: Bei der Berechnung der Beiträge für die gesetzliche Pflegeversicherung müssten Familien mit mehreren Kindern künftig stärker als Familien mit nur einem Kind entlastet werden, so die Karlsruher Richter. Sie verpflichten den Gesetzgeber, bis Juli 2023 eine entsprechende Gesetzesänderung zu beschließen. Seit Anfang 2019 liegt der Beitragssatz zur gesetzlichen Pflegeversicherung bei 3,05 Prozent. Kinderlose zahlen aber - infolge eines Verfassungsgerichtsurteils von 2001 - einen Aufschlag. Dieser betrug zunächst 0,25 Prozentpunkte und erhöhte sich zu Jahresbeginn 2022 auf 0,35 Prozentpunkte. Dabei werden Eltern unabhängig von der Zahl ihrer Kinder gleichgestellt. Dies kritisierte das Verfassungsgericht nun als grundgesetzwidrige Ungleichbehandlung. Denn mit steigender Kinderzahl und bereits ab dem zweiten Kind nähmen die finanziellen Belastungen weiter zu, betonten die Richter. Zum einen durch die konkreten laufenden Ausgaben für die Kinder, zum anderen durch die während der tendenziell längeren Erziehungszeiten entgangenen Einnahmen im Beruf. Diesen "Nachteil der Eltern mit mehr Kindern" müsse der Gesetzgeber abstellen, heißt es in der Entscheidung. Die drei Familien hatten mit Unterstützung des Familienbunds der Katholiken und des Deutschen Familienverbands seit Jahren für eine Entlastung von Familien bei den Sozialabgaben gestritten. Der Rechtsstreit begann 2006 vor dem Sozialgericht Freiburg. Die Verbände argumentieren, dass Familien bei der Finanzierung von Rente, Krankenversicherung und Pflege doppelt zur Kasse gebeten würden: neben den eigentlichen Beiträgen auch für die Ausgaben für ihre Kinder, die künftigen Beitragszahler im Umlagesystem der Sozialkassen. Daher lautete die Forderung, dass Eltern während der Erziehungsphase ihrer Kinder geringere Monatsbeiträge zahlen sollten.
Presseschau des Tages // 25.05.2022
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